In der Neubelebung einer vergessenen Geschichte sind in Minia Biabianys Installation Toli Toli (2018) die Stimmen älterer Menschen zu hören – sie singen ein Lied, das in den ländlichen Gebieten von Basse-Terre, der westlichen Hauptinsel von Guadeloupe, zu einem traditionellen Kinderspiel gehörte. Bei diesem Spiel nimmt ein Kind ein „toli toli“, eine Schmetterlingspuppe, die wie ein winziger Finger geformt ist, und zeigt damit in eine Richtung, um sich mit dem Anstimmen des Liedes einen fernen Ort vorzu- stellen. Die heutigen Kinder von Basse-Terre kennen dieses Lied nicht mehr.
In einer Auseinandersetzung mit Wissenssystemen und Narrativen, die im Verschwinden begriffen oder bereits verschwunden sind, beschäftigte sich die Künstlerin für Toli Toli mit der traditionellen Flechttechnik zur Herstellung von Fischreusen aus Bambus. In dem Werk wird das Flechten zur Metapher für die schmerzhafte Verwobenheit der tropischen Landschaft Guadeloupes mit der kolonialen Vergangenheit und Gegenwart. Biabianys Fischreusen werfen in der Installation Schatten auf den Boden. Wie Geister verschwinden sie und tauchen wieder auf, je nachdem, wie sich die Ausstellungsbesucher*innen durch den Raum bewegen. Im ständigen Wechsel zwischen der Schaffung und Auslöschung des Maschenwerks einer entgleitenden Vergangenheit treten die Betrachter*innen in den schizophrenen Zustand der Inseln von Guadeloupe ein.
—Yvette Mutumba