Dresden um 1910/11. Auf einem Divan im Atelier des Malers Ernst Ludwig Kirchner liegt – nackt – „Milli“. Genüsslich hält der Künstler ihre Konturen fest. Es entsteht das Werk Schlafende Milli (1911). Der erotisierende, exotisierende Blick Kirchners ist das Einzige, was von „Milli“ (falls das wirklich ihr Name war) geblieben ist. „Milli“ bleibt stumm, aber die Malerei spricht Bände darüber, wie Schwarze Frauen zu Objekten der Begierde reduziert wurden. Die Arbeit reflektiert einen Moment der Jahrhunderte langen Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland.
1986 bringen Katharina Oguntoye, May Opitz (später May Ayim) und Dagmar Schultz das Buch Farbe bekennen. Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte heraus. Es ist ein Moment der Erstarkung eines Schwarzen Feminismus und Aktivismus in Deutschland. Seither sind zwei nachfolgende Generationen afrodeutscher Frauen in Deutschland aufgewachsen, und nun nimmt Natasha A. Kelly hier den Faden auf. In Anlehnung an die feministische Tradition des Quiltens bringt Kelly in ihrem Film Millis Erwachen/Milli’s Awakening (2018) die Stimmen von acht Schwarzen deutschen Frauen verschiedener Generationen zusammen. Sie alle haben durch ihre künstlerische Praxis einen Weg gefunden, eine selbstbestimmte Position innerhalb der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft für sich zu definieren. Es entsteht ein filmischer Quilt, der die Vielfältigkeit und Verwobenheit ihrer Geschichte(n) reflektiert.
—Yvette Mutumba