Özlem Altın collagiert und verschneidet Fotomaterial aus dem Netz und eigenen Archiven. Da ist nichts heilig. Aber auch nichts beliebig: Den Bildern, die Altın wählt, kommt eine besondere Kraft zu. Sie berühren etwas verdammt Tiefes in einem, selbst und gerade wenn sie eben zum Browserfenster hineingeflogen sein mögen. Darin sind sie wie Omen. Dass sie einen Sinn haben, ist beinahe körperlich spürbar. Was für einen Sinn, lässt sich gerade so erahnen. Altın löst das Rätsel nicht. Sie lenkt den Blick auf Konstellationen von Bildern, wie ein Augur auf die Flugform eines Vogelschwarms zeigt: Guck! Siehst du? Dabei hat Altın ein Auge für das Groteske. Absurder Humor tritt in ihrer Sicht der Omen genauso hervor wie eine unbestreitbare Ahnung von den Dingen, die das Leben bewegen.
In ihrer lakonischen Art entgeht Altın der falschen Verbindlichkeit der Religionen: Ihre Bilder wollen keine Ikonen sein. Müssen sie auch nicht. Sie bleiben niemandem den Beweis ihrer Kraft schuldig. Dafür sind sie zu locker hingeworfen. Was schert die Vögel der Glaube ihrer Deuter? Vögel sind eh näher dran am Wetter und wissen, wann der Wandel kommt.
—Jan Verwoert