Zentrales Element von Zuleikha Chaudharis Arbeit an der Schnittstelle zwischen Performance, Installation und Theater ist die Auseinandersetzung mit Räumen und mit der Frage, wie raumbezogene Politik und Praxis Erfahrung, Erinnerung und Narration prägen.

Rehearsing Azaad Hind Radio (2018), die Arbeit, die Zuleikha Chaudhari bei der 10. Berlin Biennale zeigt, beschäftigt sich mit der komplizierten Geschichte der indischen Unabhängigkeitsbewegung und ihren problematischen Überschneidungen mit dem Nationalismus. Subhas Chandra Bose (1897–1945), ein charismatischer Nationalist und patriotischer Führer im indischen Unabhängigkeitskampf, spielt in dieser Installation eine wichtige Rolle. Von 1941 bis 1943 hielt sich Bose in Deutschland auf, wo die nationalsozialistische Führung ihm überraschenderweise materielle Unterstützung bereitstellte. Sie half ihm damals nicht nur, die Zentrale Freies Indien in Berlin zu finanzieren, sondern sendete sein Azaad Hind Radio im Rahmen ihrer Nazipropaganda-Programme auch in Indien. Chaudhari kombiniert Reinszenierungen von Rundfunkreden Boses und kombiniert sie mit Fragmenten der „Nationalismus“-Vorlesungen an der Jawaharlal Nehru University (JNU) in Neu- Delhi. Anfang 2016 berief sich die indische Regierung auf das aus der Kolonialzeit stammende sedition law, als sie gegen anti-nationale Stimmungsmache der Studentenschaft vorging. Durch kritisches Reenactment materieller Zeugnisse hinterfragt Chaudhari die historische Erinnerung sowie kollektive und individuelle ideologische Perversionen und Subversionen – die die Vergangenheit prägen und (ver-)formen.

—Daniella Rose King